Johannes Kettiger

Johannes Kettiger

Kettiger, Johannes, (1892–1869), von Liestal, Schreibergehilfe beim Statthalter und Bezirksschreiber. Von Heinrich Zschokke für den Lehrerberuf begeistert, gab er daneben Lateinstunden im Aargauer Lehrverein und an der Kantonsschule Aarau und war Hörer an der Universität Basel. 1829–39 leitete er mit seiner Frau Susanne Zaneboni, einer Pianistin aus Mailand, eine Privatschule in Basel. 1839–56 Schulinspektor von Baselland. In dieser Funktion förderte er begabte, minderbemittelte Schüler und wirkte für die Verbesserung der Schulverhältnisse durch methodische Lehrer-Fortbildungskurse. Mitbegründer des Kantonalen und des Schweizerischen Lehrervereins; Gründer von Bibliotheken und der ‹Arbeitsschule für Mädchen›. Kettiger beteiligte sich an kulturfördernden und gemeinnützigen Bestrebungen wie der Gründung und Leitung von Frauenvereinen. Er war Gründer des Landwirtschaftlichen Vereins, des Kantonalgesangverbands, des Armenerziehungsvereins sowie der Gemeinnützigen Gesellschaft, zudem Mitgründer der Basellandschaftlichen Hypothekenbank und der ‹Basellandschaftlichen Zeitung›. Er lehnte 1855 eine Wahl in die Regierung ab und folgte 1856, nach jahrelanger Polemik wegen seiner Mitgliedschaft bei einer Freimaurerloge, dem Ruf als Seminardirektor nach Wettingen AG (bis 1867). Letzte Lebensjahre als Redaktor der ‹Schweizerischen Lehrerzeitung› sowie als Lehrer an der Mädchenbildungsanstalt in Aarburg AG. Gründer der Reihe ‹Jugendbibliothek›, zu der Jonas Breitenstein Beiträge lieferte.

Kettiger war der wichtigste Förderer von Jonas Breitensteins Ausbildung, indem er ihm den Besuch der Bezirksschule in Liestal, des Pädagogiums in Basel sowie der Theologischen Fakultät der Universität Basel ermöglichte. Er war es auch, der Breitenstein 1849 zur Fortsetzung des Theologiestudiums bewegen konnte, als dieser an seiner Berufswahl zweifelte und das Lehrerexamen absolvierte, um eventuell den Lehrerberuf zu ergreifen.

Kanton Basel-Landschaft. Schul-Inspectorat.Liestal, den 3. Aug. 1854.

Geehrtester Herr Pfarrer!

Es gebricht mir schlechterdings diesen Augenblick an Zeit Ihre we Zuschrift vom 29. Juli ausführlich zu beantworten. Was zuerst die Stellung des Lehrers Jundt betrifft, so wird es gut sein, wenn Sie die Verfügung des Erziehungs Direktors abwarten. Es muß u. wird von dieser Seite etwas geschehen u. zwar wird gerade die Erziehungs Direktion zu sagen haben u. auch sagen, wie das Pensioniren zu verstehen ist. Freilich sehe ich ein, daß der gute Jundt von der Pension nicht leben kann und es wird ohne anders müßen in Erwägung gezogen werden, was noch weiter für ihn geschehen könnte. Erledigte Stellen an Arbeitsschulen werden in der Regel für einige Tage in der Gemeinde ausgekündet, die Angemeldeten dann mir zur Kenntniß gebracht und von mir zur Prüfung gewiesen. Gleichzeitig müßen aber für die Betreffenden ein pfarramtliches und ein gemeinderäthliches Leumunds Zeugniß mir zu Handen gestellt werden. Was die Frage – ob eine oder zwei Lehrerin – betrifft, so sind nur dann zwei Personen gesetzlich zulässig, wenn die Zahl der Schülerinnen über 40 steigt. Das Kapitel puncto Radschuh wäre ergötzlich, wenn es nicht so ernst wäre. Wer ist denn der curiose Kauz?

Ich werde nächstens im Stande sein Ihnen ein höchst interessantes Referat über die Frage des Armenwesens bei der gemeinnütz. Gesellschaft zu Handen zu stellen. Es ist abgegeben worden bei der Sitzung am 10 Juli in Wädenswil, ist verfaßt von Pfr. Hirzel in Höngg u. gedruckt worden. Man hat mir verheißen, es nächstens anher zu senden. Vorläufig empfangen Sie das Gesetz betreffend das Armenwesen des Kant. Zürich worauf sich jenes Referat vielfach bezieht. Sollten Sie das Gesetz schon besitzen, so ersuche ich Sie mir dieses Exemplar wieder zu Handen zu halten. à propos! Es fehlt mir noch immer der Jahresbericht über die Arbeitsschule. Dürfte ich Sie bitten, mir zu einem solchen zu verhelfen. Wenn ich doch wenigstens nur die Zahl der Schülerinnen erfahren könnte u. was sonst noch möglich ist auszumitteln. Da die Zeugnisse bei der Prüfung sind ausgetheilt worden, so wird nicht mögl. sein, die verfertigten Arbeiten u. die Versäumnisse in Rücksicht zu ziehen.

Mit freundschaftlicher Achtung und Ergebenheit
Kettiger

Liestal, 25. Sept. 1854.

Mein lieber Herr Pfarrer!

Ich komme, Sie zu ersuchen, mir das Referat über Armenfrage zu Handen zu halten. Da der Druck der  Verhandlungen nächstens beginnen soll, so [ist] uns selbiges unumgänglich nothwendig. Sie haben sich durch Ihre vorzügliche Arbeit bei der schweiz. gem. nütz. Gesellschaft gut akkreditirt.

Mit freundschaftlichem Gruße
Ihr Kettiger

 

Jonas Breitensteins Referat wurde im 34. Bericht der Neuen Verhandlungen der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft abgedruckt.

Jonas Breitenstein an seinen VaterBinningen den 17 febr. 1860.

Jonas Breitenstein an seinen Vater über seine schriftstellerische Arbeit und Mitwirken an J. Kettigers ‹Jugendbibliothek›

 

[Anfang fehlt]

…. das in der Schultheßschen Offizin in Zürich erscheint, und habe bereits einige Arbeiten abgesendet, die oft in stiller Mitternacht geschrieben habe, und wofür der Verleger per Druckbogen (32 Schreibseiten) 50 frs. bezahlt. Es ist das eine schönere Aussicht, als ich mit meinem ersten Werklein eine hatte, wo mich das Unglück traf, daß der Buchhändler Hauswirth in Basel, der den Ruf eines soliden Mannes genoß, ehe er mir den Erlös des Werkes ausbezahlt hatte, eines schönen Morgens fallierte und mich mit 700 frs. Druckkosten im Stiche ließ. Es giebt auch unter den Vornehmen Spitzbuben. Glücklicherweise hatte vorher noch circa 300 Exemplare gerettet zum Selbstverkauf, von denen die meisten mein Freund Birmann nach der Hand gegen Ausweisung eines großen Theils der Summe, die ich hätte verlieren müssen, mir abnahm und zu verwerthen suchte. Immerhin erlitt ich etwelchen Verlust. Das war letzten Herbst. Und ich habe Euch bisher deßwegen nichts davon mitgetheilt, damit Ihr Euch nicht meinetwegen grämet, jetzt kann ich es schon thun, da die Sache verschmerzt ist und Ihr Euch nicht mehr meinetwegen kümmern dürfet. Einen Gewinn habe immerhin bei der Sache auch gemacht; ich habe, was man in der Welt die haute volé nennt, kennen gelernt und weiß in Zukunft besser, wessen man sich bei ihr zu versehen hat, und wie man mit ihr umgehenmuß. Was die Sache selbst betrifft, so heißt es nicht umsonst: Aller Anfang ist schwer, und wer auf das schwere Feld der Schriftstellerei sich wagt, hat zuerst mit Mancherlei zu kämpfen, bis er dem gebildeten Publikum bekannt geworden ist und zur Anerkennung sich hindurchgerungen hat.

Ob oder was ich weiter schreiben werde, das weiß ich nicht und stelle es Gott anheim, vielleicht giebt’s noch mehr, da es mir in jeder Beziehung jetzt auch leichter wird etwas zu schreiben und herauszugeben, vielleicht auch lasse ich die Feder ruhen, wenn ich kann. Es ist halt eine eigene Sache. Wenn einmal der Trieb da ist, so muß es heraus, wie im Frühling, wenn die Frühlingsluft über die Felder weht, Alles hervorbrechen und Gestalt gewinnen muß, weil der Trieb da ist. Es gährt so Vieles in meinem Kopf und Herzen, ob ich’s für mich behalten kann oder ob ich’s zu seiner Zeit herauslassen muß, ich weiß es nicht. Man kann da nichts sagen. Ich hatte im Herbste, als die Fatalität mir zustieß, mir fest vorgenommen, nichts mehr zu schreiben, da ich ja sonst genug zu thun finde. Da mußte sich‘s aber zutreffen, daß Herr Seminardirektor Kettiger, mit dem in freundschaftlichem Briefwechsel stehe, mir kurze Zeit vorher das Versprechen abgenommen hatte, daß ich mich an dem oben genannten Werke betheiligen wolle, und weil ich nicht wortbrüchig sein wollte, so habe fast wider Willen in den letzten 14 Tagen des Januar eine 112 Seiten lange Geschichte für Kinder geschrieben, von der nun freilich noch erwarten muß, ob sie von der aus sehr gediegenen Männern bestehenden Commission, die Herr Schultheß in Zürich um sich versammelt hat, approbiert werden wird [«Gottfried der Waisenknabe»]. Item, verlieren kann ich dabei nichts, als die paar Stunden Zeit und Mühe und einige Bogen Papier im schlimmsten Falle. Doch ich schreibe da einen ellenlangen Brief, und wollte doch nur ein Brieflein schreiben. Ihr nehmet mir’s nicht übel, daß ich so weitschweifig  geworden bin. Es ist halt schon lange, daß wir uns geschrieben und miteinander gesprochen haben. Nehmet mit Nachsicht meine Sudelei auf. Ich bin die Eile gewöhnt, und da kommts halt nicht so schön heraus. Schreibet mir auch wieder einmal, wie es Euch geht, oder besser: kommet selbst. Am Donnstag ist Frohnfastenmarkt, hat die liebe Mutter nicht Lust? (Man kann am Donnstag besser kaufen als am Freitag.) Machet uns die Freude, weil es so schönes Wetter ist.

Mit herzlichen Grüßen bleibe Euer Euch innig liebender Jonas.

Aarburg, 7. Juni 1869.

Mein lieber Herr Pfarrer!

Endlich heute fliegt Ihr „Scheik Ibrahim“ mir wieder zu, den ich schon Ende Juli 1868 auf die kritische Wanderung ausgesendet hatte. Wie Sie aus unsrer Beurtheilung der Arbeit ersehen, so erfreut sich dieselbe des übereinstimmenden Beifalls der Herausgeber der Jugendbibliothek, nur haben wir noch einige – freilich untergeordnete – Wünsche bezüglich auf Revision. Ich ersuche Sie unsere Wünsche in Erwägung zu ziehen u. zu zusehen, was Sie etwa zu deren Berücksichtigung thun könnten. Was Sie aber in dieser Richtung thun wollen oder können, sollten Sie bald thun, damit das Manuscript mir sofort zugesandt werden kann. Es ist mir zwar ganz wider die Hand, Sie so drängen zu müssen, allein ich selber bin an der Verzögerung um fast ein Jahr nicht Schuld. Daher wollen Sie mir mein Drängeliren auch nicht auf Rechnung schreiben, sich also nicht ärgern an Ihrem alten Schulinspektor – der Sie herzlich grüßt –

Kettiger.