Johannes Martin

Martin-Brodbeck, Johannes, (1835–1915), von Pratteln. Sohn des Oberlehrers und Gemeindepräsidenten Johannes Martin. Studium der Medizin in Basel, Arzt in Binningen, später in Pratteln, dort Begründer einer Ärztedynastie. Martin wurde in der Binninger Pfarrzeit ein enger Freund von Jonas Breitenstein.

Aufgebot!7 Oct. 72.

Herr Pfarrer Breitenstein und Frau Gemahlin werden hiemit höflich und dringend eingeladen nächsten Sonntag 13ten um 3 Uhr (Zug 2.45) Nachmittag auf der Station Pratteln in großer Uniform und mit Poesie und guter Laune gehörig ausgerüstet zu erscheinen: Zur Einweihung meines jüngsten Kindes Victor. Es zählt bestimmt auf Sie Ihr ergebener

J. Martin
Vater von 4 unerzogenen Kindern

Toast6. Aug. 1868

an der Taufe der Zwillinge Doktor Martin
Binningen am 6. Aug. 1868

Es isch für gwüss mi Art sust nit,
Ass, was es in der Seelsorg git,
Ich Andere thue offebare,
I thue’s im Stille ufbiwahre;
Und öb Eis chunnt cho s’Elend chlage,
Im Andere ich muess d’Meinig sage,
Öb Eine do der Buckel brennt,
Der Ander dört mer d’Sach bekennt,
Das schluck i Alls giduldig abe
Und thue’s im Herze inn bigrabe,
Wie’s nöthig isch halt in der Welt,
S’isch Niemer gern uf’s Schäftli gstellt.
Jetz aber hüt, das si halt Sache,
Hüt muess i doch en Usnahm mache,
Und was i lang verschwiege ha,
das cha-n-i nimme bi mer bha;
Und s’isch Niem Anders Schuld dora
As euse glücklige Gvattersma.
Worum thuet er hüt jubiliere?
Worum si Laube dekoriere?
Und worum biege si fast d’Tisch
Vo-n Allem, was do uftreit isch?
Worum füehrt er e Gschellschaft her,
As wenn hüt grad si Hochzit wär,
Und thuet as Sanitätsroth fast
Verlange mehr vo jedem Gast,
As was zuer Sanität grad passt?
Me sott do esse, wie n’er dringt,
As bis eim schier der Buch verspringt.

He nu, der wüsset’s Alli denk;
Das macht das unerwartet Gschenk
Vo zweu so liebe Töchterle,


Wo trutz im gschicktste Dökterle
Er selber nie erwartet hätt!
Und doch der Liebgott g’schenkt im het,
Zweu Meiddeli wie Milch und Bluet
Im wisse Bettli lind und guet,
Zweu Engeli, so zart und früsch,
Me weiss nit weles s’fürnehmscht isch!
Das isch’s, was euse Gvattersma
So grüselig erfreue cha. -
Zwor, z’schaffe het er au derbi,
Das cha jo gar nit anderst si;
Chum het er sini Patiente,
Si ganzi grosse Schaar Kliente
B’suecht, wo halt au ihn b’rothe wei,
So pfitzt er ebe wieder hei
Zue sine liebe Chindle chlei.
Do thuet er „Nina, Nina mache,
Er thuet ene au z’Nacht no wache,
und thuet se pample her und hi,
Au’s Vüdeli putze, wenn’s muess si,
Er thuet se wieder troche legge,
Und wil si nonit esse Wegge,
Se git er ne doch s‘Aenneli
und singt ene vom Lämmeli,
vom Schürli und vom Schöfeli,
Bis ass si finde s’Schlöfeli.
So het er gegewärtig grad
Mer z’schaffe schier as d’Brut im Bad,
Doch nüt für unguet Gvattersma,
Ass i das Alls Ech usbrocht ha!
I ha’s au scho ne mol so gha;
Und s’brucht si gwüss kei Ma z’schiniere,
Wenn er si Gschäft thuet tapfer füehre
Und dehei au, s’isch kei Chleis,
In jedem Pünktli z’helfe weiss.
Nei, wär e jede Ma-n eso,
An mängem Ort würds besse goh,
Me gieng an mängem Ort im Land
Im Dokter au no mehr an’d Hand,
Und Gründ hätt‘ drum i gnueg scho do,
Euch Gvattersma, höch lebe z‘loh. –

Doch hät i fast ob dene Gschichte,
Was us der Seelsorg i euch brichte
Versproche ha, vergesse, drum
Ass ich jetz uf dä Punkte chumm
So will ech gli z’bidenke geh,
Was isch vor früeihere Zite gscheh,
Wie euse guete Gvattersma
Au scho vill Chrütz und Leid het gha.
I will‘s nit witer füre chere
Und nit dermit di Freud im störe,
Mer solle, was vorbi isch, jo
Getrostlig au vorbei si lo,
Wenn neui Freude Gott is schenkt
Und Alles no zum Beste lenkt. –
Doch Eis, das cha-n-i nit vergesse
Und ha scho mängischt underdesse
Dra müesse denke, wie mit Schmerze
Und mit gar grüslig schwerem Herze
D guet Herr Dokter mir emole
Eröffnet het ganz unverhohle:
„Herr Pfarrer, s’isch us und vorbei,
Es wär mi Glück mi Freud ellei,
Doch Chindli, wie-n-i se ha gseh,
Die krieg i nie und nimmermeh.
Jä lueget s’isch vorbei und us,
Kei Chinderglück meh blüeiht mim Hus.
I weiss das us der Medizin.“
So het er gseit mit trüebem Sinn;
Hät nit me-n in quält an alle Orte,
Er wär bald melancholisch worde.
„Herr Dokter,“ ha-n-i do im gseit
Und ha-n in tröste welle:
„I bi jo nit wie si igweiht
In d’Medizin und chenn die Stelle
Die gsunde und die chranke nit,
Wo’s alli bi de Möntsche git,
Doch chennen-i e Gotteschraft,
Wo alli Tag no Wunder schafft,
Wo wenn me meint s’sig Alls verlore
Und s’werd kei Freud is meh gibore,
Au, was me scho erstorbe heisst,
Zum Lebe no z’erwecke weisst;
Wer weiss, Herr Dokter? No isch’s nit
Jo aller Tage Obe hüt;
Und wenn der wieder Vatter sit,
E glücklige, vergnüegte Ma,
So will i denn Ech mahne dra.“
So ha-n-i gseit, ungläubig het
Der Chopf er gschüttlet; und i wett
Mi nit verschwere, ass i hätt
Für mi ganz sicher chönne si,
Mi Prophezeihig, die treff i;
Me seit us Mittleid überhaupt
Mängs wo me selber nit recht glaubt.
Doch wie isch’s gange, liebi Lüt?
No besser, as i selbi Zit
Für eusi Gvatterslüt hätt ghofft,
Denn wüsset: „unverhofft kommt oft.“
Was isch no dene Gschichte gscheh,
Und was, was het me müesse gseh?
Do isch den zerst enanderno
So gar e lustig Büebli cho,
E runde cheche lustige Maxli,
Wo scho bireits macht alli Faxli,
Wo gwüss, wenn emmel gsund er blibt,
Emol no Dokterbüecher schribt. –
Druf isch no lang kei Johr vergange,
S’Herr Dokters het’s nit bruche z’blange,
So si halt amene schöne Morge
Zweu Meiddeli, bisher wohl verborge,
Ganz unverhofft zuem Vorschin cho;
O, was isch für e Freud gsi do!
Der Herr und die Frau Dokter hei
Vor Freude nit gwüsst, wie si wei
Jetz mitenander triumphiere
Und mitenander jubiliere;
Drum si mer au an ihrem Fest
So frohi und vergnüegte Gäst.
Ich aber ha mer denkt derbi
Und ha im Stille glacht e chli:
„Die Dökter wüesse-n au nit Alls
Was öbbe no und allefalls
Si chönnt erreigne handumchehr,
Und öbb si Eine au verschwer!
Und öbb nit do, wo eine nüt
Meh ghofft het, s’endlig mit der Zit
No mänge schöne Nowuchs git –
Ich emmel möcht’s bizwifle nit.
Der Weg isch wieder gfunde jo,
Das Ander denk i, wird scho cho.“

He nu, i gunn’s im Gvattersma,
Er mög viel Glück und Freud dra ha!
Der Baum het wieder Schössli triebe,
Die möge lang im Sege blibe!
Si möge ihri Früchtli träge
De-n Eltere zur Freud, zum Sege! –
Doch jetz, ihr Fründ, i säg’s aparti:
Es leb der lieb Herr Dokter Marti,
Es leb si Gschlecht, es leb si Frau,
Es lebe sini Chindli au,
Und chömme-n au ne Dotzend no,
Sie lebe-n alle, vivant ho!