Heinrich Glaser
Glaser, Heinrich, (1851–1917), von Binningen, erhielt bei Jonas Breitenstein Nachhilfe in Latein; Studium der Jurisprudenz in Basel und München. Staatsschreiber, Finanzreformer im Kanton Basel-Landschaft, 1885–1917 freisinniger Regierungsrat.
Werther Herr Pfarrer!
Mit Vergnügen denke ich immer wieder an die Zeit zurück, wo ich an den schönen Frühlings- und Sommerabenden so oft Gelegenheit hatte, im Garten des Pfarrhauses von Binningen an Ihrer Seite zu weilen, um so durch Ihre Leitung die Wege zu den Pfaden kennen zu lernen, die uns hinführen zu den Zeiten römischer Gelehrsamkeit und zu dem Glanze der altrömischen Weltherrschaft. Längst sind nun zwar jene Tage dieses unseres Beisammenseins vorbei; gar manches ist seitdem geschehen und vieles ist anders geworden; doch gleichwohl rufe ich mir stets wieder jenen für mich und meine künftige Laufbahn so wichtigen Abschnitt aus meinen Jugendjahren mit Freuden in’s Gedächtniß zurück, und werde stets auch in dankbarer Erinnerung meines Lehrers noch ferner gedenken. Deshalb benütze ich auch jetzt mit Vergnügen die Gelegenheit, Ihnen einen Beweis dieser meiner Werthschätzung und Liebe geben zu können; und erlaube mir daher, Ihnen in einigen Zeilen kund zu thun, wie mir der Aufenthalt in der Hauptstadt Bayerns gefällt.
Wenn auch München und dessen Umgebung nicht das Land ist, wo die Citronen blühn und der Weinstock gedeiht, sondern vielmehr, besonders nach Regenwetter, geeignet ist, daran zu erinnern, daß man hier in einer Gegend ist, die auch zu dem Germanien gehört, von dem es heißt, daß es einst mit finstern Wäldern bedeckt gewesen, woraus giftige Nebel gestiegen seien, – so kann ich Ihnen gottlob doch melden, daß ich so gesund bin, und mich so wohl fühle, wie ich es auch beim mildesten Klima nicht besser sein könnte; und mein innigster Wunsch ist nur, daß dies auch bei Ihnen und bei Ihren Angehörigen der Fall sei. Wenn nun aber auch München mit seinem Klima nicht gerade Ehre einlegen kann, und gewiß schimpflich hätte abziehen müssen, wenn es ihm eingefallen wäre, sich damit auf der Wienerweltausstellung sehen zu lassen, so weiß es dem Fremden den Aufenthalt mit anderen Vorzügen angenehm zu machen; und so kann denn auch ich versichern, daß es mir ganz gut gefällt hier. Von meinem Zimmer aus auf dem Karlsplatz habe ich wirklich eine hübsche Aussicht; mit meiner „Philisterei“ komme ich ganz gut aus, und deren Tochter unterhält mich oft beim Studieren (könnte auch darum sein) mit ihrem Clavierspiel.
Was nun die Univers. und die Professoren betrifft, (und dies ist eigentl. doch die Hauptsache), so bin ich sehr damit zufrieden; ich kann auch sagen, daß die Stunden im Ganzen fleißiger besucht werden, und weniger „geschwänzt“ wird, als dies in Basel der Fall ist. Studenten zählt jetzt die Univ. 1125, davon sind 319 Juristen; doch sollen die Jurist. gegen vorige Jahre ziemlich abgenommen haben, was unsere Professoren hier als ein Glück begrüßen; wahrlich eine schöne Aufmunterung! Doch in Baseld. giebt es auch nicht so viele, wie hier in Bayern. Da ich annehmen muß, daß Sie auch schon in München gewesen, od. doch wenigstens schon viel davon gelesen haben werden, so enthalte mich jeder Beschreibung der Stadt; nur das will ich kurz andeuten, daß mir die vielen Sammlungen von Kunstgegenständen, so wie die vielen Monumente in und um München schon manche freie Stunde, bes. an einem Sonntag, haben verkürzen helfen. Daß wir Schweizer auch das Münchner Bier uns schmecken lassen, das brauche ich Ihnen gewiß nicht erst zu sagen. Aber auch die Münchner sind gern dabei, wo es zum Trinken geht; und bes. ist dies der Fall an den Feiertagen, deren wir jetzt schon einige hatten; so war gestern (Donnerst.) die Frohnleichnahmsprocession, und ich erstaunte wirklich, als ich den ungeheuern Zug durch die Straßen wallen sah. – Im Ganzen sind die Münchner gemüthliche Leute, und es läßt sich so mit ihnen auskommen; doch ich glaube doch noch besser auszukommen mit – unsern Landschäftlern, wenn ich wieder bei ihnen sein werde.
Der Gruß, den Sie mir durch die Meinen haben schicken lassen, hat mich sehr gefreut; wenn vielleicht am Sonntag jemand von den Ihrigen nach Binning. geht, so würde es mich freuen, wenn Sie ein Gruß bei den Meinen würden ausrichten.
Die freundschaftlichsten Grüße an Ihre lieben Angehörigen, sowie an Herrn und Frau Rieder; die herzlichsten Glückwünsche aber an Sie von Ihrem:
H. Glaser stud jur.