Johannes Wirz

Johannes Wirz#https://refallschwil.ch/wp-content/uploads/2019/04/Ausstellung_zur_Geschichte.pdfWirz-Baldner, Johannes, (1828–1897), von Sissach. Kollege von Jonas Breitenstein am Pädagogium und in der ‹Rauracia›. Studium der Theologie in Basel und Halle; Teilnehmer am Wartburgfest 1848. 1851–72 Pfarrer in Tenniken, als Nachfolger des nach kaum drei Monaten im Amt verstorbenen Niklaus Bielser. 1872–97 Hausvater im Kinderspital Basel, 1883–94 zugleich reformierter Pfarrer von Allschwil. Nach Breitensteins frühem Tod Vormund von dessen Kindern.

Tennicken 1 Dez 51

Lieber Freund!

 

Deinen Brief habe ich schon lange erhalten und bin durch ihn sehr erfreut worden. Dein Anliegen ist nun zu wissen was im Examen vorkommt, ich will Dir darüber schreiben was ich weiß. Du wirst bereits von Seiten unsers Erziehungs-Directors Banga ein Verzeichniß derjenigen Disciplinen erhalten haben die im Examen verlangt d. h. in denen geprüft wird, zudem könnte ich Dir keinen eigentl. gültigen Prospectus machen und wenn Dir nicht das Erziehungsdepartement auf Deine Frage geantwortet hat, so kann ich Deine Wünsche schwerlich vollkommen befriedigen, weil ich nur die Arbeiten welche ich zu machen und die Fragen welche ich zu beantworten hatte, nennen kann.

I Lebenslauf (deutsch)
II Lehre über die Person Xri
A) Entwicklung des Messiasbegriffs 1. alttestamentl. 2. bei den Apocryphen 3. bei Philo
B) neutestamentl. 1. In den synoptisch. Evangel. 2. bei Joh 3. in den paulinischen Briefen (deutsch)

III Enarratio biblica: Phil. II 5–12. Diese Arbeiten zu Hause.

Clausurarbeiten.

1. Uebersetzung Jes XI (mit Lexicon)
2. Verhältniß der paulinischen Briefe zum Briefe Jacobi;
3. Vorläufer der Reformation;
4. Abendmahlslehre;
5. Zwei Predigtdispositionen;
6. (Paedagogik) Grundsätze der Bestrebungen der alten Schule, Grundsätze d. Bestrebungen der neuen Schule; Einfluß der letztern auf den Religionsunterricht.

Mündliches Examen: Exegese aus der Apostelgesch., Exegese Psalm II; Kirchengesch.: Cultus; Dogmatik: Soteriologie; Practische Theologie: Homiletik. Predigtdispositionen; Paedagogik: das Thema analog dem schriftl. Finalexamen: Alles Mögliche. Probekatechese. Probepredigt. Ordination. Lerne den Hutterus Redivivus auswendig, wenn Du auch nichts dabei gewännest als Terminologie, treibe Exegese: Jes. Psalm. Hiob. Synops. Joh. Röm. Gal., überhaupt die Paulinischen Briefe. Hagenbach Dogmengesch., Kirchengeschichte aber Hase ist fast zu klein. Eine Hauptsache ist daß man die Sache klar vor Augen hat und namentl. in der Geschichte die Perioden gut auseinander hält. Gewiß manche Frage mußte ich deßhalb unbeantwortet lassen, weil ich sie nicht ganz genau beantworten konnte und nicht einen Fehler machen wollte. Ich glaubte mich recht gut vorbereitet, aber wahrlich die Herren Examinatoren hatten aus meiner schönen Ordnung bald eine große Unordnung gemacht, und als ich einmal merkte, daß ich meiner Sache nicht recht sicher sei d. h. zuweilen nicht recht sicher sei, so war ich es bald nie; jedenfalls wenn ich wieder ein Examen machen müßte, hätte ich einige Erfahrung; doch damit sei nicht gesagt, daß ich noch einmal wünsche ein Examen zu machen im Gegentheil es ist mir in Tennick. ganz wohl. Dies vom Examen.

Wie geht es Dir oder wie geht es Euch, denn ich will den Grieder nur auch gleich anreden. Was treibt Ihr? Arbeiten wird die Antwort sein, welche ich mir nur gleich selbst geben will. […] Oft hat es mich gewundert wie einmal auch der Anfang des praktischen Lebens sei, jetzt weiß ich es und wenn ich eine Beschreibung davon machen sollte, so würde ich als Motto darüber setzen: „Aller Anfang ist schwer.“ Es ist Alles zu machen aber das Eine leichter als das Andere. Es ist so viel Neues, daß man oft in Verlegenheit kommt und dann ist man so ängstlich, man horcht auf jeden Laut, wie die Leute mit Einem zufrieden seien, nicht deßhalb weil man den Menschen zu gefallen sucht, nicht aus Menschenfurcht nein darum weil man lernen will. Doch muß man sich nach meiner Ansicht davor hüten, daß man nicht zu sehr auf die Leute horcht, denn sonst gewöhnt man sich daran, es entsteht eine Demokratie in kirchlichen Sachen, wo oft eine Monarchie und zwar die des Pfarrers sein muß, wenn man, um nur ein geringes Beispiel zu brauchen, mit einem nützlichen Institute, durchdringen will, und auf der andern Seite verliert man dann seine Individualität, weil sie sich in das Allgemeine nothwendig auflösen muß, der Charakter wird verwischt und man wird dann oft die so nöthige Festigkeit vermissen.

Man muß dem Willen der Gemeinde jedenfalls Rechnung tragen, aber nicht zu viel und bloß dann, wenn sie von Einem verlangen wozu sie berechtigt sind und wenn sie Einem an die Pflicht mahnen sollten (nicht als ob es mir schon vorgekommen wäre, aber es ist auch schon der Fall gewesen bei einigen Gemeinden der Landschaft) dann hat man nichts Eiligeres zu thun als den Forderungen zu entsprechen. Von diesen Grundsätzen, (sie sind ganz allgemein) habe ich mich leiten lassen und bin bis jetzt nicht übel damit gefahren. Doch ich lasse mich hier in die Pastoralklugkeit ein und predige da wo uns noch sollte gepredigt werden, doch Ihr könnt ja denken, das sei nicht als eine Richtschnur für Euch geschrieben sondern bloß meine gegenwärtigen Gedanken gewesen. Nun noch Eines: Es wäre mir lieb wenn Ihr auf die Charwoche nach Hause kämet um mir predigen zu helfen. Ich belege Euch anmit.

Seid alle Beide herzl. gegrüßt v. E.
J. Wirz Pfr.

Kinderspital Basel, 24 Mai 77.

Verehrte Frau Pfarrer

Nebenstehend finden Sie noch einige Namen von Herren, die mit Ihrem sel. Manne in Verbindung standen oder durch gemeinschaftl. Studien seine Freunde geworden, denen der Hinschied sollte angezeigt werden. Vielleicht finden sie sich schon auf einem entworfenen Verzeichnisse, aber ich mochte nicht unterlassen auf dieselben aufmerksam zu machen. Hätte mein l. Freund doch noch länger leben dürfen! Nun es aber Gott in seiner Weisheit anders beschlossen hat, möge er Ihnen und den l. Ihrigen beistehen, den Glauben und das Vertrauen in Demuth festzuhalten und den Lohn dafür zu erringen.

Ihr herzl. theilnehmender
J. Wirz Pfr

PS. Wenn ich in irgend etwas dienen kann, so wollen Sie über mich verfügen.

 

Herr Pfarrer Heusler : Gebisdorf.
„ „ Ecklin in Neuenburg.
„ „ Christen in Genf.
„ „ Linder : Winterthur.
„ „ Schmid : Birsfelden.
„ „ Linder in Riehen.
„ „ Seiler : Kleinhüningen